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Der wunderbare Waschsalon

Die legendäre Performance von Elisa Vournasou und Tobias Lange
Happening in der Humboldtstrasse Ecke Oefelestrasse in München
am 4. Mai 2001 ab 21:00 Uhr

Neulich im wunderbaren Waschsalon Neulich im wunderbaren Waschsalon Neulich im wunderbaren Waschsalon Neulich im wunderbaren Waschsalon Neulich im wunderbaren Waschsalon


Waschsalons: grossstädtische Niemandsorte, an denen Wartende Zeitung lesen, dösen, sich ihren Phantasien überlassen. Manchmal plärrt ein Radio. Nachts in Neonlicht getaucht, das von den gekachelten Wänden reflektiert seinen Schein auf die Strasse wirft, könnten sie den zufällig vorbeikommenden Passanten an die unterkühlten Grossstadtbilder des amerikanischen Realisten Edward Hopper denken lassen. An diese seltsam starren Szenen flüchtiger Begegnungen einander fremder Menschen, die - gleichsam deterretorialisiert - aus dem Zeitfluss alltäglicher Betriebsamkeit gerissen an einer Leerstelle der Zeit gestrandet scheinen.

Mit solchen Leerstellen verhält es sich indessen wie mit der Langeweile, über die Walter Benjamin im ''Passagenwerk'' schrieb, sie sei wie ein graues Tuch, dessen Futter innen mit den glühendsten Farben ausgeschlagen sei. Denn ähnlich, wie der unverwandte Blick auf eine monochrome Fläche nach einer Weile neuronale Reflexe auslöst, die dem Auge Bilder vorgaukeln, die gar nicht da sind, schlagen solche Leerstellen die Imagination in ihren Bann. Der Waschsalon an der Strassenecke, gerade noch Ort banaler, alltäglicher Verrichtungen wird so zur Bühne, auf der ganz unalltägliche Fantasien zu wuchern beginnen.

Und doch gehört es mittlerweile zum selbstverständlich gewordenen Verhaltensrepertoire, solche Phantasien selbstreflexiv zu diagnostizieren, sie damit nicht nur zu domestizieren, sondern sie im selben Vorgang auch gleich zur Gänze weg zu rationalisieren. Gerade noch vom Traumbild der eigenen Phantasie berührt, denunziert der vorübereilende Passant dieses als blossen Reflex und wendet sich sogleich wieder den wirklichen und folglich wichtigeren Dingen zu.

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Was aber, wenn die Fantasiebilder sich solch tristem Rationalismus gegenüber mit einem mal als resistent erweisen? Wenn sie sich nicht mehr mit eilfertiger Geste wegwischen liessen, sondern sich wider alle Norm gegen die Alltagsvernunft behaupteten, ganz einfach existent blieben? Musste jener Passant dann nicht wenigstens für Augenblicke an seinem Verstand zweifeln, und müsste er sich als Zweifelnder nicht öffnen für eine mögliche Wirklichkeit, in der die Imagination nicht als vom eigentlichen Leben geschieden erscheint? Es käme dann etwas in Gang, was sich als Erkenntnisprozess beschreiben liesse. Und solches zu initialisieren ist noch immer eine der vornehmsten Aufgaben der Kunst.

Nur allzu nahe liegend ist es also, dass Künstler sich eines Raumes bemächtigen, der solche Potenziale birgt: ein Waschsalon als Ort einer künstlerischen Aktion, bei der Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Videos, Musik, Tanz und Lyrik aufeinandertreffen und in einem Zusammenspiel jenseits von planerischem Kalkül ins Offene führen. Und eben in diesem Moment des Ungeplanten, ja Unplanbaren, das dieser Aktion eignet, sind auch die flüchtigen Begegnnungen mitgedacht, die so sehr zum Wesen eines solche Ortes gehören.

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Sich dem Spiel des Zufalls zu überlassen birgt freilich stets Risiken, und doch ist dies gerade in solchem örtlichen Bezug fast zwingend. Die Stärke des Konzepts lebt paradoxerweise von der Notwendigkeit seiner eigenen Inkonsistenzen, in denen sich die Wechselfälle des Lebens widerspiegeln. Die alte, aber keineswegs veraltete Idee des Happenings, im Sinne von ''etwas sich ereignen lassen'', erfährt hier gerade in ihrer Tendenz, die Kunst dem Leben gegenüber zu öffnen eine Aktualisierung, die sich noch in einem anderen Aspekt des Konzepts vergegenständlicht. So wird während der Aktion der Betrieb des Waschsalons keineswegs eingestellt, sondern es ist gerade intendiert, dass sich künstlerische Aktionen und jene alltäglichen Verrichtungen, wie sie zum normalen Geschehen in einem Wasschalon gehören, vermischen, einander durchdringen. Und sollte es gar glücken, dass sie sich wenigstens momenthaft bis zur Ununterscheidbarkeit annähern, dann wäre jener alte Traum eingelöst, in dem die Imagination zum festen Bestand des Wirklichkeitssinss gehört. (Text: Ulrich Müller)

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Gemälde Frank Nedwed, Low-Tech-Geräte Charly-Ann Fragile, Lyrik Marion Friedl, Performance Elisabeth Vournasou und Tobias Lange, Fotografie Patrice Kinzer, Tanz Andrea Sonnberger, Musik Karl Schlagenhaufer und Peter Krause, und Gäste ...


AM 4. MAI 2001 ab 21:00 UHR
IM WUNDERBAREN WASCHSALON
HUMBOLDTSTRASSE ECKE OEFELESTRASSE MÜNCHEN



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